Seid still
Oper in zwei Akten
Kurzinformationen:
Musik:
András Hamary
Libretto:
José Vera Morales
Musikalische Leitung:
András Hamary
Inszenierung:
Christian Kohlmann
Bühne und Kostüme:
Birgit Angele
Veranstaltungsort:
Uraufführung:
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Weitere Vorstellungen:
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Seid still
Oper in zwei Akten
Im Sommer 1984 erzählte ich meinem Vater, daß ich einen Opernstoff suche. Er schlug mir Tóték, eine 1966 entstandene Tragikomödie von István Örkény vor. Es wäre etwas ganz Verrücktes, sagte er, eine Familie wird zur Zwangsarbeit getrieben, faltet wochenlang, tagein, tagaus Pappschachteln auf der Bühne, um den Sohn, der von Anfang an tot ist, zu retten [...] Ich las das Stück und war sofort abgeneigt. Ich fand es zu ungarisch, unübersetzbar, zu dörflich, belehrend, linientreu und mit einem Tiefsinn versehen, der vielleicht für die Diskussionen Budapester Bildungsbürger geeignet war. Auch hatte ich mit den Leuten der ungarischen Bergdörfer, den Protagonisten des Stückes, nie etwas am Hut. In den Jahren darauf ist die Abneigung Verständnis und Sympathie gewichen; sie ist aber zum Bestandteil der Konzeption der Oper geworden. [...]
Trotz aller Ablehnung gab es einen Aspekt im Drama Tóték, den ich von Anfang an sehr beeindruckend fand. Jenseits aller grotesken Ironie und allen Bloßstellungen spürt man eine gewisse Sorge des Autors für diese Menschen, seine Liebe zu ihnen. An sich eine Selbstverständlichkeit, aber nicht jedem gelingt es, den Ausdruck dafür zu finden. Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden habe, daß meine Aufgabe darin besteht, eine dem Theaterstück entsprechende Vielfalt zu schaffen. Eingängige und komplizierte Stellen, Platitüden und wirklichen Ernst, Emotion und Struktur, auch verschiedene Stile gegeneinander auszuspielen. [...]
Ein absurdes Theaterstück führt mit seiner Mischung aus Groteske, Moral, Klamauk und Ernst einen schwierigen Drahtseilakt vor. Dabei entsteht trotzdem eine in sich stimmige, abgeschlossene Einheit. Man findet sich als später, ungerufener Ko-Autor erst einmal vor versperrten Türen. Bis man sie entriegelt hat, steht ein Aspekt der Vertonung fest: die möglichst große Autonomie der Musik. So kann sie vieles unangetastet lassen und trotzdem dazugehören. Die Demonstration dieser Unabhängigkeit führt zu einem starken Kontrapunkt, wobei die Unabhängigkeit selbst freilich verloren geht. Andererseits enthält das Stück Situationen, die nach einer adäquaten, das Gegebene weiterdenkenden und vertiefenden Vertonung schreien; es sind vor allem die Momente des Staunens, der Sprachlosigkeit, der nervtötenden Monotonie oder – ganz im Gegenteil – der kurz aufflackernden Freude, des Zueinanderfindens in der gemeinsamen Arbeit. [...]
(Text aus: András Hamary, Ein Zwischenbericht)