Marco Polo
Kurzinformationen:
Musik:
Tan Dun
Libretto:
Paul Griffiths
Musikalische Leitung:
Tan Dun
Inszenierung:
Martha Clarke
Bühne:
Debra Booth
Light Design:
Stephen Strawbridge
Veranstaltungsort:
Uraufführung:
Muffathalle
Weitere Vorstellungen:
Muffathalle
Muffathalle
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Marco Polo
Yu – eine kurze chinesische Silbe charakterisiert den Doppelsinn der Oper „Marco Polo“ besser als der längste deutsche Satz. Denn einerseits besagt das chinesische Wort soviel wie „wandern“ und „reisen“ in äußeren Bedeutung der körperlichen Fortbewegung. Gleichzeitig aber verbirgt sich dahinter auch die Philosophie des geistigen Wandern, die den Suchenden in die eigene Seelenwelt, in die inneren Abgründe des Seins führen soll. [...]
Der Marco Polo des Tan Dun und des Paul Griffiths ist keine singuläre Gestalt: Er ist vielmehr Sinnbild für alle Suchenden, für alle, die erkannt haben, dass sie nur in der Begegnung mit dem Neuen und Unentdeckten ihren Horizont erweitern und sich so der Wahrheit nähern können. Nicht zuletzt deshalb wird Marco Polo auf seiner „Opernreise“ von historischen Schatten begleitet, die, auf jeweils unterschiedliche Weise, ähnliche Erfahrungen gesammelt haben. Da wäre etwa Dante, ein Zeitgenosse des Forschers, der glaubt, dass ihm das Ziel auf dem Weg seines Lebens verlorengegangen sei und der nun zwischen Verzweiflung und Hoffnung, es auf irgendeinem Wege neu zu finden, umherirrt. Oder Li Po (701-763 n. Chr.), der chinesische Dichter: Er erkennt, wie stark der Mensch durch die gesellschaftlichen Normen und Fallstricke gebunden ist und sucht Befreiung durch die Verbindung mit der ungebändigten Natur. Und Gustav Mahler schließlich, der in seinem „Lied von der Erde“ Gedichte eben jenes Li Po vertont [...], bewirkt eine Symbiose zwischen östlicher und westlicher Kultur: abendländische Musik zu morgenländischer Poesie.
Immer wieder geht es um diese Gegensätze: Ost und West, Außen und Innen, Erde und Himmel, Traum und Wirklichkeit, Individuum und All, Einst und Jetzt. Marco Polo ist der Wanderer, der die Grenzen zu überschreiten weiß und das vermeintlich Unvereinbare verbindet.
Tatsächlich dokumentiert Tans Oper, mit welcher visionären Kraft an der Schwelle zum 21. Jahrhundert alte Barrieren und musikalische Traditionen durchbrochen und überwunden werden können. Ungewohnte Klänge asiatischer Instrumente mischen sich in seiner Komposition mit westlichen Besetzungen, Elemente der Peking Oper, des japanischen Kabuki und des indonesischen Schattentheaters wechseln sich ab mit Sequenzen im europäischen Stil. Die Mauer, Mittelpunkt der letzten Szene der Oper, reflektiert somit zugleich Ende und Anfang eines Weges, dessen Ziel die Sammlung von Erfahrungen ist auf der Reise von der Vergangenheit in die Zukunft und vom Bekannten zum Unbekannten.“
(Text aus: Susanne Stähr, Marco Polo, Eine Reise auf der Suche nach Erkenntnis)