Wenn die Zeit über die Ufer tritt
Kurzinformationen:
Musik:
Vladimir Tarnopolski
Libretto:
Ralph Günther Mohnnau
Musikalische Leitung:
Ekkehard Klemm
Inszenierung und Bühne:
Peer Boysen
Kostüme:
Ulrike Schlemm
Licht:
Hanns-Joachim Haas
Veranstaltungsort:
Uraufführung:
Prinzregententheater
Weitere Vorstellungen:
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Wenn die Zeit über die Ufer tritt
„Was wären wir ohne Erinnerungen an das Gestern? Ohne Hoffnungen auf ein Morgen? Kaum mehr als seelenlose Maschinen. Es gehört zu den existenziellen Freiheiten des Menschen, die Vergänglichkeit der Zeit zumindest gedanklich zu durchbrechen: sich Ereignisse zurückzurufen, Erwartungen zu formulieren und damit Vergangenheit und Zukunft disponibel und lebendig zu erhalten. Niemand hat dies in der Literatur so deutlich gesehen wie Anton Tschechow. Seine Figuren sind beladen, ja überladen mit ‚Zeitlichkeit’, erdrückt von der Last ihrer eigenen Geschichte. Sie verweilen oft einzig im nostalgischen Erinnern an die ‚gute, alte Zeit’, und ihre Erwartungen und Hoffnungen auf eine utopische Rückkehr zum Einst machen sie unfähig, im Heute zu leben. Wo diese Figuren von der Zukunft reden – und sie tun dies reichlich und oft -, wo sie Visionen, Wünsche und Träume entwickeln, entsteht in Wahrheit das verkehrte Bild einer unerreichbar gewordenen Vergangenheit. Der Mensch Tschechows hat seine Zukunft verloren.
Was geschieht nun, wenn man diesen Typus mit einer Zeitenwende konfrontiert – mit eben jenem Übertritt in ein neues Jahrhundert [...]? Vladimir Tarnopolskis Oper gibt darauf eine mehrschichtige Antwort. Sie übersetzt die Zeitstrukturen von gestern, heute und Morgen in drei Handlungsebenen, die zum Abbild der menschlichen Entwicklung und des Daseins schlechthin werden, und spielt ihre Wirkungen anhand von sieben Charakteren durch, die den Stücken Tschechows entnommen sind. [...]
Mit ihnen wechseln die Gesprächsthemen und das Inventar der Bühne, das weitere Motive Tschechows aufgreift; es wechseln die Handlungsorte und –verläufe – und bleiben doch im Kern dieselben.
(Text aus: Christian Wildhagen, „Am Ende der Jahrhunderte, Vladimir Tarnopolskis Oper ‚Wenn die Zeit über die Ufer tritt’“)