Biennale Plus
Münchner Kammerorchester
Kurzinformationen:
Musik:
Márton Illés,
Toshio Hosokawa
Orchester:
Münchener Kammerorchester
Dirigent:
Alexander Liebreich
Veranstaltungsort:
Uraufführung:
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Biennale Plus
Münchner Kammerorchester
Giacinto Scelsi (1905–1988): Natura Renovatur (1967)
Márton Illés (*1975): post torso für Streichorchester (2008)
Uraufführung
Auftragswerk der Landeshauptstadt München zur Münchener Biennale
György Kurtág (*1926): Ligatura (1989)
Toshio Hosokawa (*1955): Ceremonial dance (2000)
Isang Yun (1917-1995): Kammersinfonie Nr. I (1987)
Das Münchener Kammerorchester präsentiert sich mit den Schwerpunkten seiner Arbeit: kulturellen Brückenschlägen und der Förderung junger Komponisten. Márton Illés, der heute im badischen Karlsruhe lebt und lehrt, stammt aus Ungarn, erhielt dort seine Grundausbildung, ehe er u. a. bei Wolfgang Rihm studierte. Der schätzt Begabung und Können seines einstigen Schülers hoch ein: „Márton Illés schreibt eine Musik, in der sich Kalkül und Risiko präzise ausbalanciert die Waage halten. Die Emotionalität ist stets in ein verbindliches Struktur-Ganzes eingelassen; die Rationalität ist konfrontiert mit geschärfter Klangkraft und Ausbruchsenergie. So gelingt es ihm in jungen Jahren zu einer verbindlichen Aussage zu gelangen, die gelassen aus sich selbst zu wirken in der Lage ist, ohne sich irgendeiner Tagesmode versichern zu müssen.“
Seine neue Komposition für Streichorchester steht in unmittelbarer Nachbarschaft eines Werkes von György Kurtág, das ebenfalls auf eigenwillige Weise die Klangmöglichkeiten des Streicherensembles erforscht. Ligatura wurde ursprünglich für die Violoncellovirtuosin Frances Maria Uitti komponiert, die mit zwei Bögen zugleich spielte und dadurch ihrem Instrument eine ungeahnte Vielfalt an Tönen, Klängen und musikalischen Gesten entlocken konnte. Später stellte Kurtág eine Fassung für je zwei Violin- und Violoncellopartien und Celesta her, gleichsam eine kammerorchestrale Auffächerung des sensibel-farbenreichen Stücks.
Den Rahmen des Konzerts stecken zwei Komponisten, die auf verschiedene Weise für die kulturellen Brüche zwischen Europa und dem Fernen Osten stehen. Giacinto Scelsi, der große Geheimnisvolle unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts, überwand, eine persönliche Krise durch geistige Neuorientierung. Musikalisch setzte er beim Phänomen des einzelnen Tones an, erkundete von ihm aus das Spektrum an Klängen und Bewegungen. Festigkeit gewann er unter anderem durch die Beschäftigung mit fernöstlicher Religion und Philosophie. Sich selbst sah er an den Schnittlinien zwischen den beiden weltbestimmenden kulturellen Hemisphären.
Isang Yun, in Korea geboren und aufgewachsen, suchte nach Studien in Osaka zusätzliche künstlerische Impulse in Europa. Berlin wurde schließlich zum Mittelpunkt seines Lebens und Wirkens. In der ersten Kammersinfonie „fließt der Klangstrom, gegliedert durch ein Prinzip der Actio und Reactio: Ein Impuls löst einen Gegenimpuls aus, das ist ein Yin und Yang, das Kleine im Großen“ (Alexander Liebreich).
Wie fruchtbar sich europäische und fernöstliche Tradition begegnen können, welch langer Atem aber nötig ist, um über oberflächliche Adaptionen hinauszukommen, dafür steht beispielhaft Toshio Hosokawa. In Hiroshima geboren, studierte er zunächst in Tokio, dann in Berlin bei Isang Yun und in Freiburg bei Klaus Huber. SeinVision of Lear erlebte 1998 bei der Münchener Biennale ihre Premiere. Hosokawa nimmt am Musikleben Europas und Japans in gleicher Weise teil, trägt hier wie dort Sorge für eine beständige, tiefgründige Auseinandersetzung unterschiedlicher Kulturen. Musik ist für ihn Teil des allgemeinen geistigen Lebens, intensiver Ausdruck von Humanität.
Alexander Liebreich, 1968 in Regensburg geboren, schloss 1996 seine Studien an der Hochschule für Musik und Theater in München mit Auszeichnung in den Fächern Dirigieren und Gesang ab. Als Assistent von Sir Colin Davis und von Roberto Abbado arbeitete er an der Bayerischen Staatsoper. Wesentliche Impulse erhielt er von Michael Gielen und Claudio Abbado, der ihn zu Opernprojekten der Berliner Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen einlud.
Alexander Liebreich steht für eine junge Dirigentengeneration, für die der Grenzgang zwischen großen Symphonieorchestern und kleineren, flexiblen Ensembles selbstverständlich ist. Seit dem Gewinn des Kondraschin-Wettbewerbs 1996 wird er regelmäßig von namhaften europäischen Orchestern eingeladen. Seit Herbst 2006 ist er Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Münchener Kammerorchesters.
Liebreich initiierte mit dem Goethe Institut und dem DAAD das „Korea-Projekt“. 2002 führte er mit der Jungen Deutschen Philharmonie in Nord- und Südkorea erstmals Bruckners 8. Symphonie auf. Fasziniert von der Musikalität und Begeisterungsfähigkeit der Koreaner, führte er die kulturelle Vermittlungsarbeit zwischen Deutschland und Korea mit weiteren Reisen fort.
Münchener Kammerorchester
Für seine einzigartige Programmatik erhielt das Münchener Kammerorchester zahlreiche internationale Auszeichnungen. In seinen Konzerten kontrastiert es zeitgenössische Musik – teilweise in Uraufführungen – mit klassischen Werken. Das Ensemble tritt in rund 60 Konzerten pro Jahr in West- und Osteuropa, in den Vereinigten Staaten, in China, Japan und Zentralasien auf. Im Zentrum seines künstlerischen Wirkens steht die Münchener Abonnementsreihe, die in jeder Saison unter einem thematischen Leitgedanken steht. Das Münchener Kammerorchester wurde 1950 von Christoph Stepp gegründet. Hans Stadlmair leitete und prägte es von 1956 bis in die Neunzigerjahre. 1995 übernahm Christoph Poppen die künstlerische Leitung und verlieh dem Orchester innerhalb weniger Jahre ein neues Profil. Seit der Saison 2006/07 ist Alexander Liebreich Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des MKO; Liebreichs erste Saison unter dem Thema Lichtwurde mit einhelliger Begeisterung aufgenommen. Die Saison 2007/08 steht unter dem Thema Politik. Das Orchester vergibt in jeder Spielzeit mehrere Kompositionsaufträge. Mit der Saison 2003/2004 begann das MKO in der zentralen Rotunde der Pinakothek der Moderne die Reihe Nachtmusik der Moderne, sie widmet sich jeweils einem zeitgenössischen Komponisten. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Projekt München, eine Zusammenarbeit mit Institutionen im Jugend- und Sozialbereich. Die Kooperation mit der Münchener Biennale hat Tradition; das MKO wirkte 1996 in Tan Duns Marco Polo, 2000 in Chaya Czernowins Pnima – ins Innereund 2004 in Cantio von Vykintas Baltakas mit. Das MKO hat 25 fest angestellte Musiker und wird von der Stadt München, dem Land Bayern und dem Bezirk mit öffentlichen Zuschüssen gefördert. Seit der Saison 2006/07 ist die European Computer Telecoms AG (ECT) offizieller Hauptsponsor des Orchesters.