La Sirenetta
Ein Tanzmelodram
Brief informations:
Music:
Alessandro Sbordoni
Libretto:
Alessandro Sbordoni
Choreographie und Inszenierung:
Günter Pick
Bühne:
Monika von Zallinger
Kostüme:
Renate Schmitzer
Venue:
World premiere:
Staatstheater am Gärtnerplatz
Further performances:
Staatstheater am Gärtnerplatz
La Sirenetta
Ein Tanzmelodram
Mein Ballett “Die kleine Meerjungfrau” entfernt sich mit seinem Schluß von seiner Vorlage, dem gleichnamigen Märchen von Andersen. Da diese Abweichung nicht zufälliger Improvisation entspringt, möchte ich versuchen, kurz ihre Motivation zu erläutern. Insbesondere beziehe ich mich auf drei literarische Vorbilder zum Thema der Sirenen oder Meerjungfrauen, die ich für besonders bedeutungsvoll halte: „Die kleine Meerjungfrau“ von Andersen, sicher der wichtigste Bezugstext und die Basis meiner Arbeit, die Erzählung „Lighea“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa und der Roman „The Sea Lady“ von H.G.Wells. Jedes dieser Werke rührt an eine sehr prägnante Saite des märchenhaften Mythos der Sirenen, die es aufmerksamer zu betrachten lohnt; schließlich soll gezeigt werden, wie mir die drei Fälle gemeinsam die Anregung zur Gestaltung der letzten Szene gegeben haben. Diese erwies sich als etwas problematisch, zumindest als es mir nicht befriedigend erschien, wie Andersen den Kindern und ihren Lausbübereien die letzte Verantwortung für den Wachstums- und Reifungsprozess der kleinen Sirenen zuzuschieben. Andererseits schien mir ein Happy-End im Stile eines Fotoromans – Hochzeit der kleinen Meerjungfrau mit dem Prinzen – nicht weniger banal als das Gegenteil, die Vollendung der Tragödie durch eine Meerjungfrau, die egoistisch ihren Prinzen ersticht. Jede der drei Sirenen, von denen erzählt wird, erwirbt eine besondere, eigene Bedeutung, die auch ihre drei Bezugspersonen in unterschiedlichem Licht erscheinen lässt: den berühmten Gräzisten bei Lighea, den Prinzen der kleinen Meerjungfrau, Mr. Chatteris bei der Sea Lady. [...]
Ich habe es vorgezogen, dem Ballett einen anderen Schluss als in Andersens Märchen zu geben: Die kleine Meerjungfrau wird keine Tochter der Luft, sondern spaltet sich in drei parallele Gestalten auf. Die Erzählung bricht in dem Augenblick ab, in dem die kleine Meerjungfrau das Messer wegwirft und sich weigert, den Prinzen zu erstechen: Dies sagt genug über Andersens Moral und reicht hin, um zu verstehen, daß sie ihr Ziel nicht erreichen wird.
(Text aus: Alessandro Sbordoni, Die Launen des Odysseus)