Helle Nächte
Oper nach Motiven aus „Tausendundeiner Nacht“ und Knut Hamsuns „Mysterien“
Brief informations:
Music:
Moritz Eggert
Libretto:
Helmut Krausser
Musikalische Leitung:
Peter Hirsch
Inszenierung:
Tilman Knabe
Bühne:
Alfred Peter
Kostüme:
Kathi Maurer
Venue:
World premiere:
Prinzregententheater
Further performances:
Prinzregententheater
Prinzregententheater
Helle Nächte
Oper nach Motiven aus „Tausendundeiner Nacht“ und Knut Hamsuns „Mysterien“
[...] Sie haben sich mit den „Hellen Nächten“ für ein Sujet entschieden, das ein menschliches Grundbedürfnis und zugleich eine Spielart der Unterhaltung thematisiert: Das Geschichtenerzählen nämlich. Wie kam es zu dieser Wahl? Was interessiert Sie an dem Mechanismus des Erzählens?
Inspiriert hat mich die Debatte über die Entwicklung des Musiktheaters, bei der immer wieder erörtert wird, ob die Zukunft der Oper allein in einer abstrakteren Ausrichtung mit Video- und Klanginstallationen liegen sollte oder ob auf der Bühne weiterhin Geschichten erzählt werden können. Und da letztere Möglichkeit sehr wenig benutzt wird, hat es mich gereizt, eben das Erzählen selbst zum Thema meiner Oper zu machen. [...]
Das Scharnier des Librettos bildet [...] ein Kapitel aus den „Mysterien“ von Knut Hamsun. Nun klafft zwischen Hamsuns nordischer Romanwelt und einem orientalischen Harem doch ein breiter Graben. Wie kam es zu der kühnen Idee einer Symbiose?
Da war ein gewisser Zufall im Spiel. Denn gerade zu der Zeit, als wir über das Libretto diskutierten, las Helmut Krausser ausgerechnet Hamsuns „Mysterien“. Und darin findet sich das Kapitel „Helle Nächte“, in dem die Hauptfigur Nagel seine Begleiterin Dagny fragt: „Kennen Sie eigentlich die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht?“ Und es folgt die Hamsunsche Variante einer solchen „Orientalischen“ Geschichte. Diese kurze Episode haben wir als Aufhänger genommen, um das Thema „Tausendundeine Nacht“ von einer westlichen Perspektive zu öffnen. Denn eines wollte ich auf jeden Fall vermeiden: einen pseudoorientalischen Bühnenzauber zu entfalten, der dem Zuschauer den Eindruck vermittelt hätte, etwas Fernes und Fremdes vorgeführt zu bekommen, das ihn nicht wirklich betrifft. Das Scharnier Hamsun dient also nicht zuletzt dazu, Identifikationspunkte zu schaffen und dem Thema näher zu kommen.
Übrigens findet sich zwischen Hamsun und der Welt aus „Tausendundeine Nacht“ ein sehr reizvoller Widerspruch: Während es in den „Mysterien“ vor allem um die menschliche Seele geht – noch vor „Ulysses“ benutzt Hamsun erstmals die Technik des inneren Monologs! -, verzichten die orientalischen Geschichten vollkommen auf jede Psychologisierung. Diesen Kontrast versuchen wir nicht zu übertünchen, sondern nutzen ihn für eine Dramaturgie, die zwischen Realität und Phantasie, Haupterzählung und Binnengeschichten streng unterscheidet. [...]
Warum behandeln Sie die Hamsun-Passagen und die Episoden aus „Tausendundeiner Nacht“ so unterschiedlich?
Weil sich die Binnengeschichten viel leichter von selbst erklären; die Handlung ist nachzuvollziehen, auch wenn man nur 40% des Textes verstehen sollte. [...] Die Rahmenhandlung erscheint mir dagegen erläuterungsbedürftiger; sie bietet die Schlüsselsituation, in die sich der Zuschauer erst einmal einfinden muss, sie präsentiert die zentralen Personen des Stücks und ihre Psychologie. Als ich Helmut Kraussers Text hierzu las, war mir übrigens sofort klar, dass man diese Passagen eigentlich nur sprechen lassen kann. [...]
Gibt es andere Elemente, durch die Sie verschiedene Erzählebenen musikalisch widerspiegeln? Verleihen Sie beispielsweise den orientalischen Schauplätzen ein bestimmtes klangliches Kolorit – auch wenn Sie – um Sie abermals zu zitieren, Orientalismen und den damit „uncharmanten Hauch des Kunstgewerbes“ zu vermeiden suchen?
Ich habe versucht, sehr abwechslungsreiche Klangwelten zu gestalten. Die Episode von „Aziz und Aziza“ ist beispielsweise eher ernst und lyrisch gehalten, die Geschichte des Goldschmieds dagegen schnell und burlesk. [...] Orientalische Musik ist allenfalls in Anklängen zu hören, und auch nur deshalb, weil ich mich in letzter Zeit mit dieser Kultur etwas beschäftigt habe, um zu neuen Formen der Melodik zu finden. Und wenn man auf diesem Felde experimentiert, trifft man früher oder später automatisch auf die Techniken arabischer Melismen.
(Text aus: Susanne Stähr, „Das Ideal ist Mozart...“, Ein Gespräch mit dem Komponisten Moritz Eggert)