Angelus Novus
Brief informations:
Music:
Claus-Steffen Mahnkopf
Konzeption:
Claus-Steffen Mahnkopf und
Taygun Nowbary
Musikalische Leitung:
James Avery
Regie und Bühne:
Taygun Nowbary
Kostüme:
Maria Frenzel
Venue:
World premiere:
Muffathalle
Further performances:
Muffathalle
Muffathalle
Angelus Novus
Eine Geschichtsthese zum Gegenstand eines Musiktheaters zu machen, ist ein kühne Idee. Thesen sind Leitsätze, Behauptungen, mithin etwas Theoretisches, Abstraktes, Nährstoff fürs Hirn. Das Faszinosum des Theaters, zumal des Musiktheaters, beruht aber gerade auf der sinnlichen Erfahrbarkeit: auf Veranschaulichung, Konkretion und Emotion. Wie gehen Sie bei „Angelus Novus“ mit diesem Widerspruch um?
Walter Benjamins 9. Geschichtsthese ist weniger eine These im Sinne der wissenschaftlichen Theorie, sondern ein sehr schöner und anschaulicher philosophischer Aphorismus. Natürlich besitzt sie, wie jeder philosophische Aphorismus, auch eine Abstraktheit, die im Theaterzusammenhang befremden mag. Genau dieser Widerspruch ist jedoch die experimentelle Ausgangsvoraussetzung für unser Projekt gewesen: eine wie auch immer geartete Beziehung zu spinnen zwischen dem Text von Benjamin, meinen musikalischen Vorstellungen als Komponist und der szenischen Vision des Theatermannes, der mehr sein muss als bloßer Regisseur. Denn er hat nicht etwa eine Handlung, eine vorhandene Geschichte umzusetzen, sondern muss eine sinnlich erfahrbare Bilderwelt und Bühnensprache entwickeln, gleichsam „Komponieren“, und zwar so, als wäre er Librettist. [...]
Bei Ihrem Musiktheaterexperiment werden die bekannten Koordinaten der Gattung außer Kraft gesetzt. Was versprechen Sie sich von dieser Grenzüberschreitung?
[...] Ich ... wähle einen Text, der nicht mehr die geringsten Rudimente einer Handlung aufweist. Deshalb nenne ich meinen „Angelus Novus“ auch nicht nur eine Oper, Anti-Oper oder Nicht-Oper, sondern ich beanspruche, dass dies ein Musiktheater ist, erwachsen aus einer Operntradition der großen Komponisten, aber befreit von den Momenten der Illustration und der Affektverdoppelung: Das ist der Primat der Musik. Auch Wagner, als er das Drama in den Vordergrund stellte, war ambivalent. [...]
(Text aus: Susanne Stähr, „Im Konflikt vereint; Claus-Steffen Mahnkopf und Taygun Nowbary über Musik und Theater “)