Vision of Lear
Kurzinformationen:
Musik:
Toshio Hosokawa
Text:
Tadashi Suzuki
Musikalische Leitung:
Georges-Elie Octors
Regie, Bühne, Kostüme, Licht:
Tadashi Suzuki
Veranstaltungsort:
Uraufführung:
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Weitere Vorstellungen:
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Gasteig/Carl-Orff-Saal
Vision of Lear
Ich komponierte mein Werk auf der Grundlage der Körperbewegungen (Stil) der Schauspieler, die in „The Tale of Lear“ [von Tadashi Suzuki] gebraucht wurden. Es ist eine Oper, aber zugleich auch eine Art von Tanz. Für mich muß Oper etwas sein, das Musik, Wort und körperliche Bewegung in irgendeiner Form verbindet, vereint und damit neue Dimensionen eröffnet.
Die Personen der Handlung, die auf Suzukis Bühne erscheinen, sind dadurch, dass sie Menschen aus Lears Vision sind, gleichzeitig auch Verstorbene. Auf der Rückseite einer Gittertür, die im hinteren Bereich der Bühne aufgestellt ist, befindet sich die Welt des Todes, und von dort aus vor ihr liegt die Welt des Lebens. Die Sänger wechseln an dieser Tür zwischen dem Hinter- und Vordergrund hin und her und bewegen sich somit zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Tod und Leben. Eine solche Denkweise erinnert an das mugen nô (Traumerscheinungs-Nô). Sie ist wiederum auch mit der Idee von Schweigen und Klang (musikalischem Ton) verbunden, die ich in meiner eigenen Musik verfolgt habe.
Für meine Musik entsteht der Ton aus dem Schweigen als Matrix und kehrt wieder in das Schweigen zurück. Der Akt des Singens ist die Tat, das Schweigen zu brechen, und durch Singen wird der Raum zum Leben hervorgebracht. Dies führt zu den auftretenden Personen in Suzukis „King Lear“, die aus der Welt des Todes heraus eine kurze Zeitspanne leben und wieder in jene Welt zurückkehren.
Meine Musik beginnt mit periodischen Schlägen der großen Trommel ôdaiko, die an den Pulsschlag der Natur denken lassen. In der Oper sind diese wiederholten Klänge immer latent vorhanden. Und ihr Zyklus gerät zusammen mit dem Klang der kleinen Trommel kodaiko durcheinander, wenn Edmund die Bühne betritt. Andererseits gibt es eine zentrale Harmonie, die den Kern dieser Oper bildet und bei verschiedenen Szenen stets im Hintergrund erklingt. Jedoch wende ich bei den Szenen mit Edgar, der Irrsinn vortäuscht, und mit dem wahnsinnigen Lear die Reihentechnik der Zwölftonmusik an und entferne mich von dieser Matrix-Harmonie. Auf solche Weise existieren beständig Rhythmus und Harmonie sowie deren Zerstörung. Der Konflikt der musikalischen Elemente ist zum Leitgedanken meiner Oper „Vision of Lear“ geworden.
(Text aus: „Die Harmonie der Bewegung“, Toshio Hosokawa über seine Oper „Vision of Lear“. Übersetzung: Ilse Reuter)